Willi Graf – eine Kurzbiografie

Willi Graf wird am 2. Januar 1918 in Kuchenheim bei Euskirchen geboren, aber schon 1922 übersiedelt die Familie Graf nach Saarbrücken, wo Willi in der Geborgenheit der Familie aufwächst. Bald nach Aufnahme in das Gymnasium tritt er dem katholischen Jugendbund „Neudeutschland“ bei. Wanderfahrten, Geländespiele, gemeinsames Singen und die Erörterung von Glaubensfragen stehen im Mittelpunkt des Bundes.

1933 werden die Jugendlichen mit den politischen Ereignissen konfrontiert. Im Deutschen Reich übernehmen die Nationalsozialisten die Macht; 1935 erfolgt die Rückgliederung der Saar ins Reich. Ein Jahr später wird die Hitlerjugend zur Staatsjugend erklärt, die anderen Jugendverbände werden verboten.

Willi Graf ergreift rigoros Partei: Mit Freunden, die der HJ beitreten, will er nichts mehr zu tun haben. Er selbst weigert sich, diesen Schritt zu tun, obwohl er befürchten muß, deshalb nicht zum Abitur zugelassen zu werden.

Er schließt sich nach dem Verbot und der Auflösung des Bundes „Neudeutschland“ dem „Grauen Orden“ an, einem illegalen katholischen Jugendbund.

1938 verhaftet die Gestapo etwa 30 Mitglieder des „Grauen Ordens“, Willi Graf sitzt vom 22.1. bis zum 5.2.1938 in Untersuchungshaft. Der Prozeß vor dem Sondergericht Mannheim wird am 17.5.1938 nach eintägiger Dauer eingestellt, weil die Anklagen wegen „Bündischer Umtriebe“ unter das Amnestiegesetz fallen, das Hitler nach dem erfolgreichen Anschluß Österreichs erläßt.

Schon im Jahr vorher hat Willi Graf das Abitur bestanden und den obligatorischen Arbeitsdienst abgeleistet. Im Herbst 1937 beginnt er in Bonn mit dem Medizinstudium. Er hat dieses Fach gewählt, weil es ihm noch am wenigsten von der Ideologie der Nazis verseucht scheint; seine Interessen liegen jedoch auf anderen Gebieten: Theologie, Philosophie und Literatur.

1939 beginnen die Nationalsozialisten den Krieg. Willi Graf wird 1940 eingezogen und an verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Als die Wehrmacht 1941 in Rußland einfällt, ist auch seine Einheit mit dabei.

Willi Grafs Haltung zum Krieg ist eindeutig: Er sagt von Anfang an, daß Deutschland den Krieg verlieren müsse und auch werde. Diese Überzeugung wird noch verstärkt, als er sieht, mit welcher Brutalität die russischen Kriegsgefangenen und die Zivilbevölkerung behandelt werden.

Im April 1942 wird Willi Graf zu einer Studentenkompanie nach München versetzt. Diese Studentenkompanien bestehen aus angehenden Medizinern, die von der Wehrmacht beurlaubt sind, um ihr Studium fortzusetzen. Obwohl die Studenten verpflichtet sind, in der Kaserne zu wohnen, können sie sich dem militärischen Drill weitgehend entziehen.

In diesen Wochen trifft Willi Graf Hans Scholl und lernt bald dessen gesamten Freundeskreis kennen, zu dem u.a. Christoph Probst, Alexander Schmorell und Sophie Scholl, die jüngere Schwester von Hans, gehören. Er spürt schnell, daß sie die gleichen Ansichten haben, vor allem sind sie sich einig in ihrer christlichen Überzeugung und in der Ablehnung des Nationalsozialismus.

Etwa um die gleiche Zeit tauchen überall in München anonyme hektographierte Flugblätter auf, welche die Überschrift „Flugblätter der Weißen Rose“ tragen. Verfasser sind Hans Scholl und Alexander Schmorell, die sich – zum Widerstand entschlossen – im Frühjahr einen Vervielfältigungsapparat besorgt haben. Die Flugblätter sind mit der Post verschickt, die Anschriften willkürlich Adreßbüchern entnommen.

In den folgenden Wochen erscheinen drei weitere Flugblätter, die ebenfalls in einer Auflage von mehreren hundert Exemplaren an Münchener Adressaten versandt werden. In ihnen wird auf die Verbrechen der Nationalsozialisten hingewiesen, der NS-Staat wird als die „Diktatur des Bösen“ bezeichnet. Die Flugblätter rufen auf zum Widerstand und zur Sabotage, Sabotage überall dort, wo der „reibungslose Ablauf der Kriegsmaschine“ verhindert werden kann.

Sophie Scholl erkennt an Stil und Inhalt die Urheber. Sie spricht ihren Bruder daraufhin an und setzt bei ihm durch, daß auch sie mitmachen kann. Christoph Probst und Willi Graf werden eingeweiht und beteiligen sich ebenfalls an der illegalen Arbeit.

Im Juli 1942 werden die Studenten zur „Frontbewährung“ an die Ostfront abkommandiert. Als die Studenten im November nach München zurückkehren, um ihr Studium fortzuführen, sind sie entschlossen, ihre Widerstandsaktionen wieder aufzunehmen.

Allerdings hat sich der Charakter ihrer Aktionen verändert. Sie versuchen, Verbindung mit der Widerstandsbewegung in Berlin aufzunehmen, und es gelingt ihnen, in einigen Städten weitere Gleichgesinnte zu finden. In München gewinnen sie Prof. Huber zur Mitarbeit. Er redigiert das Flugblatt, das sie im Januar 1943 abfassen und verbreiten.

Schon die Überschrift „Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland“ zeigt, daß die Gruppe sich nicht mehr isoliert sieht. Deutlich wird auf die kommende Niederlage hingewiesen. Zum erstenmal werden Vorstellungen für ein neues Deutschland formuliert:

Beseitigung des „preußischen Militarismus“, Errichtung eines „föderalistischen Staates“ und Schaffung eines „vernünftigen Sozialismus“. „Freiheit der Rede“, „Freiheit des Bekenntnisses“, „Schutz der Bürger vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten sind Grundlagen des neuen Europa“.

Die Katastrophe von Stalingrad veranlaßt die Studenten, im Februar 1943 in verschiedenen Nächten an mindestens 20 Stellen rot durchgestrichene Hakenkreuze und Parolen, wie „Freiheit“ und „Nieder mit Hitler“, zu malen.

Am 18. Februar verteilen Hans und Sophie Scholl in der Universität ein weiteres Flugblatt. Dabei werden sie vom Pedell Jakob Schmied entdeckt und festgehalten. In den Verhören der Gestapo leugnen sie zunächst, etwas mit den Flugblättern zu tun zu haben, bis sie angesichts der Beweislast ein Geständnis ablegen. Schon am 22. Februar werden sie zusammen mit Christoph Probst, der anhand eines handgeschriebenen Flugblattentwurfs überführt wird, vom Volksgerichtshof unter Leitung Roland Freislers zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet.

Willi Graf wird am Abend des 18. Februar festgenommen; die Verhaftungen von Alexander Schmorell, Prof. Huber sowie weiteren Freunden folgen in den nächsten Tagen und Wochen. Willi Graf leugnet acht Tage, dann gibt er bei der Fülle des Beweismaterials seine Mittäterschaft zu.

Im zweiten Prozeß gegen die „Weiße Rose“ ergehen am 19. April 1943 gegen Alexander Schmorell, Prof. Huber und Willi Graf wegen Hochverrat, Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung Todesurteile.

Da die Gestapo die Absicht hat, über Willi Graf weitere oppositionelle Kreise in der katholischen Jugendbewegung aufzudecken, bewirkt sie, daß die Vollstreckung der Hinrichtung aufgeschoben wird. Alexander Schmorell und Prof. Huber sterben am 13. Juli 1943.

Willi Graf wird neuen Verhören unterzogen, aber er gibt keine Namen preis. Er rettet damit vermutlich einigen Freunden das Leben.

Alle vierzehn Tage darf er seinen Familienangehörigen schreiben. Diese Briefe, die alle erhalten sind, geben Zeugnis seines Glaubens und seines ungebrochenen Mutes. Dabei teilt er die Hoffnung seiner Familie nicht, angesichts der Aussetzung der Hinrichtung doch noch begnadigt zu werden. Es bedrückt ihn, daß vor allem der Vater seine Handlungsweise nicht begreifen könnte. „Sage dem Vater, es war kein dummer Jungenstreich“, bittet er seine Schwester Mathilde drei Wochen vor seinem Tod, und im Abschiedsbrief an seine Schwester Anneliese schreibt er: „Du weißt, daß ich nicht leichtsinnig gehandelt habe, sondern aus tiefster Sorge und in dem Bewußtsein der ernsten Lage. Du mögest dafür sorgen, daß dies Andenken in der Familie und bei den Freunden lebendig und bewußt bleibt.“

Am 12. Oktober 1943 gegen 17 Uhr wird Willi Graf im Gefängnis München- Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet.